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Petra Marx hatte im Rahmen einer Fahrt 2013 in die Bretagne keltische Elemente in umfriedeten Pfarreien entdeckt. Über diese Kunstwerke und Pfarreien berichtete sie in ihrem Vortrag anlässlich des Neujahrsempfanges des Fördervereins des Naturkundemuseums Dortmund am 15. Januar 2017.
Inhaltliche Wiedergabe des Vortrages:
Der keltische Ursprung
Die Kelten bzw. die Gallier beherrschten die Bretagne bis zu dem Zeitpunkt, als die Römer mit ihrem Feldherrn Julius Cäsar dort auftauchten. Die Kelten nannten das Gebiet Aremorica. Julius Cäsar besiegte die Gallier in der Zeit um 50 v. Chr. Und romanisierte die Bevölkerung. Das meinte er zumindest und berichtete auf seine Art über den Lebensstil der Gallier in Bello Gallico. Asterix gibt symbolisch eine andere Auskunft.
Die Gallier in diesem Gebiet behielten lange ihre Tradition bei und übernahmen kaum den römischen Lebensstil. Ihre Kunstelemente hinterließen sie, entsprechend sind keltische Elemente in der Kunstausführung heute identifizierbar.
Ca. 500 n.Chr. besiedelten nach dem Untergang des römischen Reiches Bewohner aus Wales und Irland die Bretagne. Aus Aremorica (Land am Meer) wurde Klein-Britannien oder die Bretagne. Die Siedler brachten den christlichen Glauben mit, der stark mit keltischen Elementen durchsetzt war. Die Kirche unterstützte die Bretonen, da jetzt das Evangelium an die Stelle der heidnischen Gottheiten trat. Bis heute lieben die Bretonen Mythen und Sagen. Die Bretagne wird auch als „Land der Legenden“ bezeichnet. Ihre Geschichte, ihre keltischen Einflüsse, ihre sagenumwobenen Gedenkstätten usw. versetzen uns in eine Traumwelt. Beispielsweise die Sagen-Welt um den Wald von Paimpont. Arthur und seine Ritter der Tafelrunde sind an jedem Felsen zu finden. Bei Vollmond (wenn man genau zuhört auch nicht bei Vollmond) ist das Schlagen der Schwertschläge des gegen einen Drachen kämpfenden Arthurs zu hören. Der Zauberwald Brocéliande ist ein Sammelsurium mystischer Orte. Der Zauberer Merlin trifft Viviane an der Barentonquelle. Die Fee betört ihn und bindet ihn. Manchmal kann man die beiden heute noch nach Neumond umschlungen in der Quelle entdecken.
Keltische Elemente in katholischen Kirchen der Bretagne
Keltische Elemente findet man vielfältig in katholischen Kirchen in der Bretagne. Wenn man genau hinsieht. Oft bezieht sich die Darstellung auf die keltische Vorstellung des Totenreiches. Die Strafe in der Hölle ist die Kälte und nicht das Feuer. Eine Besonderheit auch die Darstellung der Heiligen. Die Sagen der Kelten vermischen sich mit den Heiligen-Wahrnehmungen der katholischen Kirche. Von den 7777 Heiligen der Bretonen sind viele in Rom überhaupt nicht bekannt. Zum Beispiel St. Mament, der gegen die Langeweile hilft. Oder der heilige St. Milieu. Man schlug ihm den Kopf ab, aber man verehrt ihn als Heiligen gegen Kopfschmerzen.
Die Bretagne ist die größte Halbinsel Frankreichs und der
westlichste Ausläufer des europäischen Festlands nördlich der Iberischen
Halbinsel. Nicht ohne Grund nannten die Gallier dieses Land Aremorica ,
Land am Meer. Atlantik und Ärmelkanal mit dem Golfstrom prägen ein
ausgeglichenes, aber durch starken Wind und viel Regen geprägtes Klima.
Dies wirkt sich auch auf die Kunst aus. Die Überwindung des Todes gehörte,
geprägt durch die Seefahrt, zum harten bretonischen Alltag, dies
drücken viele Bildhauereien aus.
Geologisch ist die Bretagne ein Teil des armorikanischen Gebirges (eine
Landmasse im Paläozoikum). Granit-, Gneis- und Glimmerschiefer
des armorikanischen Gebirges traten bei der Variszischen
Gebirgsbildung zutage, das im Karbon gebildet wurde. Dadurch findet sich
in der Bretagne in weiten Teilen sehr altes und hartes Gestein. Auch
die Region um Dortmund wurde durch die Variszische Orogenese
im Karbon geformt, Kreide im Norden, gehobene Kohleflöze und
harte Karbon/ Devon-Schichten prägen unser Gebiet. Die
Bretagne besitzt eine sehr zerklüftete Küstenlinie, die über weite
Strecken als Steilküste ausgebildet ist. Granitklippen ragen
aus dem Meer. Das ist aber nicht von der Variszischen Gebirgsbildung
verursacht. Die Forschung ist sich sicher, dass der Ärmelkanal erst
vor ca. 450000 Jahren durch eine Riesenwelle entstanden ist, die diese
Steilküsten in Frankreich und England, das seitdem eine Insel ist, prägte.
Ein umfriedeter Pfarrbezirk kommt in dieser speziellen Form nur in
der Bretagne vor.
Ein umfriedeter Pfarrbezirk besteht aus folgendem Ensemble:
• dem Friedhof mit einer umfassenden Mauer,
• einem Triumphtor,
• einem Beinhaus,
• dem Calvaire,
• der Kirche mit einer vorgelagerten Eingangshalle.
Die Mauer soll die letzte Ruhestätte deutlich von der Außenwelt
abschirmen. Durch das Triumphtor betritt man das Pfarrgelände über eine
höhere Steinplatte. Der Sarg wird im Triumphzug durch das Tor getragen,
die hohe Stufe bietet dem Toten Schutz vor Dämonen (ein keltischer
Brauch) und verdeutlicht, dass man einen besonderen Ort betritt. Für
die Lebenden bedeutet die hohe Stufe Achtsamkeit.
Beinhäuser entstanden aus dem Umstand, dass die Friedhöfe räumlich sehr
begrenzt waren. Wurden sie zu klein, grub man die Gebeine der schon lange
Verstorbenen aus und bewahrte sie in einem Beinhaus auf.
Der Calvaire ist eine Art Gegenreform gegen lutherisches Gedankengut. Dieses und Kirchenmüdigkeit sollten die Bretonen durch einfache Bilddarstellung biblischer Szenen wieder an die Kirche heranführen. Die Calvaires sind Monumente auf viereckigen oder runden Steinsockeln, die mit umlaufenden Figurenfriesen geschmückt sind. Auf einem Kreuz wird die Kreuzigung Christi dargestellt. Unter diesem Kreuz sind auf weiteren Verästelungen weitere biblische Figuren aufgestellt.
Zum Lesen der Darstellungen sind Geduld, Bibelfestigkeit und geschichtliches Wissen vorteilhaft. Die Darstellungen sind aufgrund des harten Granitsteins meist relativ einfach gearbeitet. Ihre Mimik und die Lebendigkeit tragen jedoch zu einer außergewöhnlichen und grandiosen Wirkung bei.
Die Vorhallen etablierten sich als Besprechungsräume und bei
Regen als Raum für mystische Spiele. Die Bretonen liebten und lieben diese
Spiele.
Die umfriedeten Pfarrbezirke sind wesentlich im 16. und frühen 17.
Jahrhundert im nördlichen Teil der Bretagne entstanden. Die heute sehr
unscheinbaren Dörfer waren damals reiche Städte. Reich geworden durch
Tuchhandel. Tücher waren für die Segel der Handelsschifffahrt sehr
gefragt.
Dass das gallische Gedankengut weiter in den bretonischen Köpfen ist, zeigte der entbrannte Konkurrenzkampf unter den Dörfern um den prächtigsten Pfarrbezirk. Insbesondere die 7 km auseinander liegenden Pfarrbezirke St Thegonnec und Guimiliau zeichneten sich aus: Guimiliau baute einen großen Calvaire, St. Thegonnec zog mit einem imposanten Beinhaus nach. Usw. Und als außen nichts mehr schöner zu machen war, ging der Wettstreit in den Kirchen weiter. Bunte und schon fast überladene Innenräume entstanden. Helle Kirchen, die auf das Paradies im hellen Jerusalem verweisen sollten. Altäre, Chorstühle, Lettner usw. mit hochwertiger Schnitzkunst entstanden. Die Bretagne ist bekannt für hochwertige Schnitzkunst.
Eine Besonderheit ist die Wirkung des Wetters. Über die Jahrhunderte kristallisierten Steine im Außenbereich aus. Bei Sonne wirken sie glitzernd, ohne Sonne sind sie nur grau und farblos.
Auf den Kunstwerken wachsen Flechten, man kann von einer „Mystik der
Flechten“ sprechen. Flechten sind „Meister der
Entschleunigung“. Viele Flechten wachsen sehr langsam, meist nur
wenige Millimeter im Jahr, einzelne Arten sogar nur Bruchteile eines
Millimeters. Daher können sie nur an Standorten überleben, an denen sie
nicht von Pflanzen überwuchert und dadurch an der Photosynthese gehindert
werden. Die Kunstwerke sind entsprechend ein idealer Standort für Flechten
und stellen sich heute als ein Teil der menschlichen und der
evolutionären Kunst dar.
Petra Marx stellt in ihrem Film viele Fotografien der Kunstwerke dar, insbesondere die Figuren der Calvaires.
Zwei Beispiele, die ein Stück Zeitgeschichte darstellen, seien besonders erwähnt:
Zum einen die Darstellung der Verhaftung Jesus auf dem Calvaire von St. Thegonnec. Die Bretonen liebten die zeitgenössische Darstellung. Einer der beiden Schergen hat detailgetreu die Züge von Heinrich IV, dem von den katholischen Bretonen gehassten König von Frankreich. Heinrich IV war Auslöser der Bartholomäusnacht vom 23. zum 24. August 1572 mit dem Massaker an französischen Protestanten, den Hugenotten.
Auf dem gleichen Calvaire die Darstellung von Maria Stuart. Sie war durch Heirat mit Franz II. Königin von Frankreich und als Katholikin sehr beliebt. Leider ist der König zu früh verstorben und sie ging zurück nach England. Auf dem Altar ist sie als elegante Dame mit schönen Gesichtszügen und Witwenhaube als Trauernde vor dem toten Jesu dargestellt.
Letzte Änderung: 29.03.2024