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Der Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter machte im Jahr 2013 durch drei Ereignisse auf sich aufmerksam. Den Vorbeiflug des ca. 40 m großen Asteroiden (367953) Duende am 15.02.2013 um 20.24 Uhr (MEZ) hatten die Astrophysiker erwartet. Der Himmelskörper mit einer Masse von geschätzten 130.000 t war zu Beginn 2012 erstmals gesichtet worden und bekam den vorläufigen Namen 2012 DA14. Er passierte die Erde in nur ca. 27.700 km Entfernung. Zum Vergleich: Geostationäre Satelliten, die unser Fernsehprogramm übertragen, haben ihren Orbit in 36.000 km Höhe.
Völlig unerwartet war am gleichen Tag, jedoch 20 Stunden vorher um 9.20 Uhr Ortszeit (4.20 Uhr MEZ), in Sibirien der größte Meteor seit 100 Jahren zu sehen. Fragmente des Meteoriten schlugen nahe der Stadt Tscheljabinsk ein. Später wurde rekonstruiert, dass der Körper einen Durchmesser von 19 m und eine Masse von 12.000 t gehabt haben musste. Er wurde vom Schwerefeld der Erde eingefangen und trat in die Erdatmosphäre ein. Seine Leuchtspur und die Explosion wurden durch spektakuläre Videoaufnahmen aus Autos heraus dokumentiert.
Vergleichsweise unspektakulär und wenig beachtet war dagegen zwei Monate später der Fall eines Meteoroiden in Deutschland. Dieser ca. 50 kg schwere Gesteinsbrocken trat am 23. April 2013 gegen 02.02 Uhr in die Erdatmosphäre ein und entwickelte in ca. 80 km Höhe eine Leuchterscheinung. Er bewegte sich dabei von Südosten nach Nordwesten. Auf seiner 55° geneigten Flugbahn leuchtete er für nur 5 Sekunden. Dabei wurde er jedoch so stark aufgeheizt, dass in dieser kurzen Zeit mehr als 90 % seiner Masse verdampften. In 26 km Höhe (zum Vergleich: Langstreckenflugzeuge fliegen in 10 km Höhe) schließlich explodierte der Körper und wurde in mehrere Fragmente zerlegt. Es folge ein zweiminütiger sogenannter Dunkelflug. Da bei der Explosion fast die gesamte Bewegungsenergie verloren ging, fiel der Körper fast senkrecht nach unten. Mitten im südlichen Stadtgebiet von Braunschweig schlug das 1,3 kg schwere Restteil um ca. 2:05 Uhr Ortszeit ein und traf die Hofeinfahrt eines Hauses im Ortsteil Melverode. Der Impaktor wurde dabei in mehrere hundert Splitter zerlegt. Dieses ist bis heute der jüngste Meteorit Deutschlands.
Herr Dr. Ilger hat im Rahmen seiner Tätigkeit am Staatlichen Naturhistorischen Museum in Braunschweig die Auswertung und Präsentation dieses Ereignisses begleitet. Für die Zuhörer erläuterte er zunächst die oft verwechselten Begriffe Meteoroid, Meteor, Meteorit und Komet: Ein Meteoroid ist ein kleinerer Festkörper außerirdischen Ursprungs (die Grenze zu größeren Asteroiden ist fließend). Wird so ein Körper nun von der Erdanziehung eingefangen und tritt in ca. 100 km Höhe in die Erdatmosphäre ein, so bewirkt seine hohe Geschwindigkeit eine Ionisation der Luftmoleküle. Diese beginnen in einem mehrere hundert Meter breiten und Kilometer langen Plasmaschlauch zu leuchten. Insbesondere in der Mesosphäre zwischen 80 und 50 km Höhe ist er dann als Meteor oder Sternschnuppe zu sehen. Kleinere Körper verdampfen vollständig, größere können aber auch die Erdoberfläche erreichen. Sie sind dann aber nicht glühend heiß, wie viele Leute denken, sondern haben nur noch Zimmertemperatur. Diese Fragmente nennt man nach dem Aufschlag dann Meteorite. Während ein Meteoroid also als Meteor zu sehen sein und dann als Meteorit einschlagen kann, sind Kometen etwas völlig anderes. Es handelt sich um Brocken aus Gesteinsschutt und Eis (Wassereis und gefrorene Gase) die aus den weit entfernten Bereichen des Sonnensystems stammen. Sie werden daher oft auch als „schmutzige Schneebälle“ bezeichnet. Kommen sie in Sonnennähe, verdampft das Eis und wird durch den Sonnenwind zum Leuchten angeregt. Der Komet entwickelt einen Schweif, der bei großen Objekten auch von der Erde aus beobachtet werden kann, obwohl der Komet Millionen Kilometer entfernt ist.
Erstaunlich ist, dass die Leuchtspur (also den Meteor) des Braunschweiger Meteoriten offenbar nur ein einziger Augenzeuge in Ahlum gesehen hat. Der Mann hat außerdem noch ein Rauschen und den Explosionsknall gehört. Mehrere weitere Zeugenaussagen, die ausgewertet wurden, stellten sich jedoch nicht als hilfreich heraus, da sie zu anderen Uhrzeiten oder in anderen Blickrichtungen gemacht wurden. Jedoch wurde der Meteor von mehreren Messgeräten automatisch aufgezeichnet. Eine Webcam im 160 km entfernten Vechta dokumentierte mit einem einzigen Bild die Leuchtspur. Ein Lichtmeter der 240 km entfernten Wetterstation Lindenberg (Brandenburg) zeichnete eine Aufhellung des Himmels für 5 Sekunden um 2:03 Uhr auf. Ein Infraschall-Messgerät der BGR in Haidmühle (Bayern) an der Tschechischen Grenze (430 km entfernt) zeichnete die Explosionsgeräusche auf. Auf der Grundlage dieser Daten konnte mit der Nutzung spezieller Software der Niedergang der Trümmerteile rekonstruiert werden. Für den Laien verblüffend mag dabei auch die Tatsache sein, dass der Körper im Dunkelflug stark von den vorherrschenden Windrichtungen abgelenkt werden kann. Es war als nötig, die damaligen Wetterverhältnisse in die Berechnungen mit einzubeziehen. Ähnlich wurden auch die Bahnen des Meteoriten Neuschwanstein (06.04.20002) berechnet. Basierend auf den so erzeugten Daten konnten auch bei Neuschwanstein Trümmerteile gefunden werden.
Herr Dr. Ilger führte einen Animationsfilm vor, den das Staatliche Naturhistorische Museum Braunschweig in Zusammenarbeit mit dem Rieskrater-Museum in Nördlingen auf der Grundlage der Berechnungen produziert hat. Besonders beeindruckt waren die Zuhörer davon, dass der Körper in der Erdatmosphäre fast vollständig abgebremst wurde und seine Bahn im weiteren Verlauf im freien Fall erfolgte. Die kinetische Energie des 1,3 kg schweren Trümmerstückes reichte aber aus, um die Betonsteine der Hofeinfahrt zu pulverisieren. Leider ist der gezeigte Film nicht öffentlich verfügbar, wird aber in Braunschweiger Museum zusammen mit den Trümmerstücken gezeigt.
Meteoriten bestehen entweder aus Gestein mit überwiegend Silikat-Mineralen oder aus einer Eisen-Nickel-Legierung, wobei Mischformen möglich sind. Der Braunschweiger Meteorit ist ein Gesteins-Meteorit (gewöhnlicher Chondrit) mit geringen Eisen-Nickel Anteilen, er ist in die Klasse L6 eingestuft. Es fanden weitreichende Untersuchungen u. a. zur Petrografie und Mineralogie, der Edelgas-Isotopie, den Radionukliden und der organischen Chemie statt. Für die Zuhörer überraschend war die Tatsache, dass auch organische Verbindungen in Meteoriten gefunden werden können. In Braunschweig wurden fast 1.500 verschiedene aliphatische Moleküle nachgewiesen. Damit liegt das Material aber eher im unteren Durchschnitt.
Die Hauptmasse (214 g) wird zusammen mit einem Teil des übrigen Materials im Staatlichen Naturhistorischen Museum in einer speziell angefertigten Klimavitrine ausgestellt. Dies ist nötig, um zu verhindern, dass das Gestein in der Erdatmosphäre oxidiert, denn selten haben Wissenschaftler die Gelegenheit, so frisches Material zu untersuchen. Das Typmaterial (25 g) wird im Mineralienkabinett der Technischen Universität Braunschweig aufbewahrt und ist dort auch für Besucher zu sehen.
In Deutschland sind bisher 46 Meteorite gefunden worden. Der jüngste ist der Braunschweiger Meteorit und nach über 80 Jahren der erste beobachtete Fall in Niedersachsen. Entsprechend ist der Titel des Vortrages mit „Der jüngste Meteorit Deutschlands“ aktuell korrekt formuliert. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass nicht irgendwo ein Meteorit unentdeckt herum liegt. Auch der Braunschweiger Meteorit wäre wohl nie entdeckt worden, wenn er auf irgendeinem weichen Rasen aufgetroffen wäre. Es gibt auch kuriose Funde: So wurde 1970 in Wernigrode ein Meteorit auf einem Dachboden gefunden. Er wurde zweifelsfrei als Meteorit identifiziert, jedoch ist vollkommen unklar, wie er dorthin gekommen ist. Er könnte viel früher unbemerkt eingeschlagen oder aber von einem früheren Bewohner dort abgelegt worden sein.
Weblinks:
https://de.wikipedia.org/wiki/Meteorkunde
http://pegasus-wolfenbuettel.de/j32n/phocadownload/Meteorit-BS_Homepage.pdf
http://lexikon.astronomie.info/meteorite/klassifikation.html
http://www.meteorite-museum.de/index.php/klassifikation.html
http://www.lpi.usra.edu/meteor/metbull.php
Literatur:
Bartoschewitz, R., Wimmer, K., Laubenstein, M., Hoppp, J.,
Schmitt-Kopplin,
P., Seemann, E. & Ilger, J.-M. (2015): Der Meteorit von Braunschweig
[The
Braunschweig
Meteorite (Lower Saxony, Germany)]. – Braunschweiger
Naturkundliche Schriften, 13: 141-157.
Gehler, A. & Reich M. (2015): Die Meteorite Niedersachsens. –
Naturhistorica. Berichte der Naturhistorischen Gesellschaft Hannover, 157:
91-92.
Letzte Änderung:
28.05.2020