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Der „Geopunkt Schandelah“ ist eine Grabungsstätte im „Geopark Harz – Braunschweiger Land – Ostfalen“. Man erreicht die Grabungsstätte gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Mit dem Auto benötigt man Insiderkenntnisse und ein wenig Mut, um den Feldweg zu finden und vorbei an bunten Wiesen und gut bestellten Feldern zur Grabungsstätte zu gelangen. Die Wiesen spiegeln die Schauwiese im Entdeckersaal des Naturhistorischen Museums wieder. Insiderkenntnisse und Mut hatte die Exkursionsgruppe des Fördervereins des Naturkundemuseums Dortmund am zweiten Exkursionstag der Exkursion zum Naturhistorischen Museum Braunschweig und konnte Dr. Ralf Kosma, der die pünktlich bis 09.00 Uhr eintreffende Gruppe bereits erwartete, herzlich begrüßen. Besonders wurde natürlich der frühere Kollege Jan Ilger begrüßt.
Aus der Großstadt des ersten Exkursionstages in
die freie Natur des zweiten Exkursionstages, das
erzeugte eine besondere Atmosphäre.
Dr. Ralf Kosma stellte sich als welterfahrener Paläontologe vor. Er hat mehrere Jahre die Ausgrabung des Spinophorosaurus am Niger begleitet und mit dazu beigetragen, dass dieser Fund in Absprache mit den kommunalen Vertretern der Tuareg im Naturhistorischen Museum aufgestellt werden konnte. Er hat gleichfalls mehrere Jahre in der Morrison- Formation in Wyoming gegraben. Sein stratigraphischer Schwerpunkt liegt somit im Oberjura, derzeit ist seine Zeit aber das Unterjura im Posidonienschiefer (Lias Epsilon) von Schandelah und Hondelage. Dieser Schiefer ist weltbekannt durch z.B. das süddeutsche Becken um Holzmaden und das Yorkshire-Becken in England, das niedersächsische Becken in der Region um Braunschweig ist öffentlich derzeit mehr regional bekannt. Wissenschaftlich hat es aber bereits einen hohen Stellenwert.
Bereits am ersten Grabungstag der in 2011
beginnenden Grabung wurde in Hondelage der im
Naturhistorischen Museum zu bewundernde
Ichthyosaurier gefunden. Die Fundstelle in
Hondelage wird weiterhin systematisch erforscht,
wesentlich durch den Präparator des Museums,
Sebastian Radecker, mit Unterstützung
ehrenamtlicher Helfer des Fördervereins.
Nach längerer Vorbereitungszeit begann 2014 die
systematische Grabung in Schandelah. Die Geologen
kennen ihren Untergrund genau und wissen, wo sie
anzusetzen haben. Jedoch bestimmen zunächst
die kommunalen Vertreter, die privaten Besitzer und
auch die Naturschutzverbände, ob nach den im
Boden verborgenen Schätzen der Jahrmillionen der
Erdgeschichte gesucht werden darf.
Ralf Kosma führte die Exkursionsgruppe zu zwei potentiell möglichen Grabungsstätten, die aber -zumindest derzeit- als Grabungsstätte nicht genutzt werden bzw. nicht genutzt werden können.
Die erste Stelle wäre die ideale Stelle für
Grabungen und sicherlich exklusive Funde des hier im
Untergrund liegenden Posidonienschiefers (Lias
Epsilon) gewesen. Das hier nahe an der
Erdoberfläche stehende Grundwasser wäre
aufgrund der Höhenlage des Feldes kein
Problem gewesen. Gescheitert ist die Grabung an einer
Wildbrücke, die hier beginnt und über die
nahe Autobahn Wolfsburg – Kassel
führt. Aktivitäten an dieser Stelle
und die resultierende Grube hätten die ohnehin
schon stark verunsicherten Tiere in zu starkem
Maße ergänzend beeinträchtigt.
Der Besitzer der Wiese hatte dank der
Unterstützung der Scheller-Stiftung bereits seine
Zustimmung zur Grabung gegeben.
Die zweite Stelle erreichte die Gruppe nach einem zwar kurzen, aber erfrischenden Waldspaziergang. Hier wären die Eigentumsverhältnisse dank der Scheller-Stiftung kein Problem gewesen. Auch die Aspekte des Naturschutzes hätten die Grabung nicht verhindert. Aber die Infrastruktur und die zu erwartenden Grabungsumstände haben das Team des Naturhistorischen Museums veranlasst, auf dieses Waldstück als Grabungsstelle zu verzichten. Für das Braunschweiger Team sind neben dem Aspekt der paläontologischen Erkundung auch die Aspekte der naturkundlichen Erkundung und die der museumspädagogischen Erkundung wichtig. Die naturkundliche Erkundung steht in diesem Waldstück im Vordergrund. Auch um wissenschaftliche Erkenntnisse über Wiederaufforstungen nach Grabungen zu gewinnen. Ein Fichtenwald ist z.B. abgeholzt und mit Bäumen wieder aufgeforstet worden, welche die Widerstandsfähigkeit im Zuge der sich abzeichnenden Klimaveränderungen nachweisen könnten. Biotope, Amphibien, Lurche, Vögel, Insekten usw. werden wissenschaftlich erforscht. Flora und Fauna, die eigentlich schon ausgestorben ist, soll ggf. wieder angesiedelt werden. Einiges ist bereits in der Natur „wiederentdeckt“ worden. Die Natur entdeckt sich immer wieder neu, man muss ihr nur eine Chance geben.
Der Posidonienschiefer wäre auch hier unter einer
nur ca. 1m starken, eiszeitlich geformten
Deckschicht schnell erreicht worden. Normalerweise ist
der Posidonienschiefer in Niedersachsen einige hundert
Meter tief im Untergrund von Schichten des
Oberjura, der Kreide sowie des Känozoikums
überdeckt. Aber unter den Schichten des
Jura-Meeres lagern die Salz-Schichten des
Zechstein-Meeres. Die besondere Wirkung dieses Salzes
bei differenzierten Temperaturen führte zur
Halogenese und Salztektonik mit der resultierenden
Erhebung in dieser Region, die auch den Elm gebildet
hat. Dadurch erreichten die Jura-Schichten hier quasi
als „Oberjura-Fenster“ die Oberfläche
und wurden in der Eiszeit noch einmal geformt und
geglättet, praktisch vorbereitet für
wissenschaftliche Exkursionen. Die Wurzeln der
Bäume, dies ist erforscht worden, können mit
dem „Ölzeugs“ des Unterjura nichts
anfangen und wurzeln lieber flacher weiter, insofern
würden Baumwurzeln Grabungen nicht weniger
erfolgreich machen.
Nach Besuch der beiden potentiellen Grabungsstätten geht die Exkursionsgruppe zurück zum Ausgangspunkt und damit zur aktuellen Grabungsstätte Schandelah. Einige Steinbruch-Erprobte Exkursionsteilnehmer sind ein wenig überrascht über die im Verhältnis geringen Ausmaße der Grabungsbereiches.
So einfach graben konnte man aber nicht. Zunächst
waren Bäume zu roden (Sekundärwald, daher
unkritisch für den Naturschutz). Danach, das ist
eigentlich unglaublich, hat der menschliche Müll
wie in der Ölschiefer-Grube Messel Probleme
bereitet. In den 60/70-iger Jahren war hier eine
Müllhalde, bis hin zum VW-Käfer musste alles
als Sondermüll entsorgt werden. Gefahrstoffe
wurden jedoch nicht gefunden.
Nach Rodung und Sondermüllentsorgung stieß
man dann relativ schnell auf den
Schandelah- Ölschiefer.
Gegraben wird von April bis Oktober. Drei
Grabungskampagnen sind schon beendet (2014 –
2016) und haben großartige Funde ergeben. In
2017 ist das Wasser etwas hinderlich, dass auch heute
in der Grube steht. In den letzten Tagen hat es
stark geregnet. Hier münden auch Drainagerohre
ein, die zu einer zusätzlichen Belastung
führen. Gegraben wird entsprechend nicht in der
Sohle, sondern in höheren Bereichen. Die
Forschung geht weiter, auch wenn die Teufe bald
die Sohle erreicht, wo keine Fossilien mehr zu
erwarten sind. Nach Süden und Norden kann
aber – auch dank der Scheller-Stiftung -
beliebig weiter gegraben werden, der
Sekundär-Wald ist von den
Naturschutzverbänden nicht als zwingend
erhaltenswert eingestuft. Zum Westen fallen die
Schichten ab, das Ergebnis der Salztektonik ist hier
deutlich zu erkennen. In Braunschweig
müsste man schon 150 m tief bohren.
Am „Geologenwagen“ demonstriert Ralf
Kosma einige Funde. Zum Beispiel den
Schädel eines Schnabelfisches Acidorhynchus
brevirostris. Die Zähne sind gut
zu erkennen. Die Qualität der Funde in Schandelah
ist sehr gut. Man muss natürlich das Handwerk des
Präparierens verstehen. Bei Ichthyosaurier-Funden
konnte der Mageninhalt bestimmt werden. Im September
2016 wurde der Fingerknochen eines Flugsauriers
gefunden, ein sensationeller Fund. Der Flugsaurier Dorygnathus gehörte
zur Gruppe der Langschwanzflugsaurier, die besonders
im Unteren Jura die Lüfte beherrschte.
Viele Funde sind im Buch „Das Jurameer,
Niedersachsens versunkene Urwelt“ von den
Experten des Naturhistorischen Museums beschrieben.
Ralf Kosma erläutert Einzelheiten aus dem Buch
(Verlag Dr. Friedrich Pfeil, ISBN
978-3-89937-172-7).
Schandelah lag zur Zeit des Jura-Meeres im
Bereich einer Uferzone eines Flachmeeres mit
schwankender Meerestiefe, im Mittelwert mit ca.
100 Meter Wassertiefe. Im einige km entfernten
heutigen Ort Rottorf am Klei war schon ein Landbereich
(in Rottorf am Klei befindet sich auch ein
Stützpunkt des Geopark „Harz –
Braunschweiger Land – Ostfalen“) mit einem
einmündenden Süßwasser-Strom. Wind und
eingeschwemmte Sedimente des Flusses haben dafür
gesorgt, dass in der Grabungsstelle Schandelah auch
viele Pflanzenteile, Pollen und Sporen gefunden
wurden: Koniferen, Baumfarn, Schachtelhalm …
Selbst ein verästelter Baumstamm wurde
freigelegt. Anlass genug, in Schandelah den dritten
Aspekt der Forschungstätigkeiten, die
museumspädagogische Ausbildung, als
weiteren Schwerpunkt zu betreiben. Schandelah
als Lernort für alle Altersstufen.
Schulklassen wurden bereits eingeladen und wurden in
einigen Stunden darüber informiert, was
Paläontologie ist, was Erdgeschichte ist, wie
sich alles verändert hat usw. Betreut wird
das Projekt von der museumspädagogischen
Abteilung des Naturhistorischen Museums Braunschweig.
Geplant ist, zur Unterstützung der
Lehrtätigkeit hier einen Pavillon zu errichten
(die Genehmigung liegt bereits vor) und die
Infrastruktur mit Augenmaß ein wenig anzupassen.
Die Kinder dürfen auch sammeln. Graben ist
allerdings untersagt. Aber man findet immer noch
etwas. Die Paläontologen haben bereits so viele
Exponate gefunden, dass sie sich bei der Suche darauf
konzentrieren, was wissenschaftlich und museal
wertvoll ist. Ammoniten usw. bleiben
grundsätzlich unbeachtet und landen auf der Halde
oder sie werden irgendwo abgelegt. Damit die Kinder
etwas finden. Selbst im Abraum könnte man noch
etwas finden, nicht jede Schicht kann untersucht
werden.
In Zusammenarbeit mit den Naturschutzverbänden
wird auch an der Grabungsstelle Schandelah der Aspekt
der naturkundlichen
Erkundung in den Vordergrund
gestellt. Wichtig sind aktuelle Forschung und
die Entwicklung eines Landschaftsplanes für eine
vielfältige Landschaft nach der
Grabungszeit. Die Halde hat sich zum Beispiel
zwischenzeitlich zu einem Paradies für bestimmte
Tierarten wie Eidechsen, Schafstelze etc. entwickelt,
entsprechend könnte Halde die könnte
integraler Bestandteil der zukünftigen Landschaft
werden. Im Umfeld der Grabungsstelle sind Bäume
gepflanzt worden mit Bezug zur Urzeit. Wie werden die
sich entwickeln? Ein spannendes Projekt.
Ein spannendes Projekt liegt auch vor der
Exkursionsgruppe: Begehung
der Grabungsstelle und der Halde. Ohne
Geologenhammer, ausschließlich Auge und
Hände dürfen als Werkzeug genutzt werden.
Zum Abschluss sind alle zufrieden. Irgendetwas hat jeder gefunden, und wenn es nur die Verbindung mit der einzigartigen Natur war.
Herrn Dr. Ralf Kosma
gebührt der herzliche Dank der
Exkursionsgruppe, diesen einzigartigen Ort in seiner
Einzigartigkeit präsentiert zu haben.
Zum Abschluss haben es dann alle eilig. Dr.
Kosma macht direkt im Anschluss eine
Führung im Naturhistorischen Musem in
Braunschweig, die Gruppe des Fördervereins
fährt zu einer weiteren Exkursion nach
Schöningen.
Weblinks
Film zum Grabungsfeld Schandelah
Geopark Harz-Braunschweiger Land-Ostfalen
Letzte Änderung: 28.05.2020